Tompall Glaser, früheres Mitglied der Grand Ole Opry und einflussreicher Mitbegründer der Outlaw-Bewegung in der Country Music in den späten Sechziger- und Siebzigerjahren, starb am 13. August nach längerer Krankheit im Alter von 79 Jahren.
Tompall Glasers Karriere begann als Mitglied der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Glaser Brothers. Man kannte ihn als klugen Geschäftsmann, der gegen die strengen Kontrollen der Musiker und Musikproduktionen durch die Musikindustrie aufbegehrte. Durch seine Bemühungen wurde der Weg frei für die bahnbrechenden Karrieren von Waylon Jennings, Willie Nelson und zahlreiche andere, für die es wichtig war, die Kontrolle über ihre Musik zu behalten.
Auch als Musiker schrieb er Geschichte. Am besten wird man sich an seine Wiedergabe von Shel Siversteins Put Another Log On The Fire erinnern. Zudem wird man ihn als erfolgreich
en Songschreiber vieler Hits, darunter The Streets of Baltimore, Running Gun, A Girl Like You und Stand Beside Me, in Erinnerung behalten.
Zusammen mit seinen Brüdern Chuck und Jim besaß und betrieb er die Glaser Sound Studios in Nashville, die zu den Tagen der Outlaws als “Hillbilly Central” bekannt wurden. Dort begannen die Karrieren von u.a. Kinky Friedman und John Hartford. Waylon Jennings nahm dort seinen Klassiker Dreaming My Dreams auf. Produzent war der legendäre Cowboy Jack Clement, der am 8. August 2013 gestorben ist.
Die Geschichte beginnt auf einer Farm an einem unwirklichen Ort im ländlichen Nebraska. Louis Glaser und seine Frau Marie hatten sechs Kinder. Die drei jüngsten waren Thomas Paul (Tompall), geboren am 2. September 1933, Charles Vernon (Chuck) und James William (Jim). Erst in den Fünfzigerjahren bekamen die Glasers elektrisches Licht. So wuchsen die Jungen mit der mechanischen Victrola ihres Vaters auf. „Vater … besaß eine große Plattensammlung mit der Carter Family, Riley Puckett, Jimmie Rodgers, Vernon Dalhart und vielen anderen. Die Carter Family sollte uns später stark beeinflussen. Dad brachte mir die ersten Akkorde bei, und ich sang Songs von Ernest Tubb und spielte Gitarrenläufe wie Jimmie Short.“
Im Alter von sechs Jahren trat Tompall zum ersten Mal bei der Radiostation WJAG in Norfolk, Nebraska, auf. Er brachte seinen Brüdern die Kunst des Harmoniegesangs bei und zeigte ihn, wie man Akkorde wechselte, indem man auf den Boden stampfte.
Nach seinem Abschied aus der Armee ging Tompall zurück auf die elterliche Farm. M„Bei KHAS in Hastings bekamen wir unsere eigene Fernsehshow. In jenem Juli meisterten wir drei Vorentscheidungen zur Arthur Godfrey Show. Wie sich herausstellte, war Marty Robbins just zu jenem Zeitpunkt in der Stadt, wenn wir auftreten sollten.“ Marty Robbins holte sie auf die Bühne. Sie sangen seinen aktuellen Hit A White Sport Coat And A Pink Carnation. Schließlich verließ Tompall die Stadt zusammen mit Marty Robbins. Nach der Ernte folgten ihnen Chuck und Jim.
Im August 1957 unterschrieben die Brüder einen Vertrag bei Robbins eigenem Robbins Records Label. Doch nach zehn Monaten machte Robbins die Firma dicht und verkaufte den Vertrag an Decca. „Das Kingston Trio war damals sehr angesagt. Unser [Produzent] Owen Bradley meinte, man sollte in diese Richtung gehen. Wir legten los mit ‚This Land Is Your Land‘, einen Song, den er mochte.“ Die Glasers blieben bis 1965 bei Decca, ohne jedoch einen Hit landen zu können.
1961 wurden die Glaser Brothers von Johnny Cash gefragt, ob sie mit ihm auf Tournee gehen würden. „Johnny brachte uns in die Carnegie Hall und nach Las Vegas“, sagte Tompall. „Ihm ist es zu verdanken, dass Nashville uns als Formation wahrnahm.“ Dann kam Johnnys langjähriger Kumpel und gelegentlicher Produzent Jack Clement ins Bild. Er überzeugte MGM Records davon, es mit den Glasers zu versuchen. Die zweite MGM-Session der Glaser Brothers fand im September 1966 statt; damals entstand ihre Originalversion von Tompalls Streets Of Baltimore, das später ein Hit für Bobby Bare werden sollte. Ende 1966 waren die Glasers mit Jack Clements Gone, On The Other Hand in den Charts. Den größten MGM-Hit jedoch verzeichneten sie mit der Coverversion von Rings, einem Pophit für Cymarron.
1973 brachen die Glaser Brothers auseinander und verkauften ihren Musikverlag. Von dem Erlös eröffneten sie ein Aufnahmestudio, das zur Heimat des Undergrounds in Nashville werden sollte. Für jene, die regelmäßig dort auftauchten, war es das „Hillbilly Central“, das Epizentrum der Outlaw-Bewegung. Tompall betrieb das Studio und machte gleichzeitig weiterhin Aufnahmen für MGM. Bereits in den Anfangstagen nahm er Hits für andere in seinem Studio auf.
Irgendwann besiegelten Waylon Jennigs und Tompall ihre lose Partnerschaft mit einem offiziellen Abkommen. Kyle Lehning, später Randy Travis‘ Produzent, fing als Toningenieur bei Waylons Aufnahmen in Tompalls Studio an. Tompal: „Hier kommt Waylon. Er sieht aus wie ein begossener Pudel. Er sagt: ‚Ich kann diese verdammte Plattenfirma nicht dazu bringen, mir Studioaufnahmen zu bezahlen.‘ Ich erwiderte: ‚Du willst Zeit im Studio haben? Ruf Deine Band an, ich rufe den Toningenieur an. Wir werden ein paar Aufnahmen machen.‘ Er sagte: ‚Das kannst Du nicht machen.‘ Ich sagte: ‚Zum Teufel, natürlich kann ich das!‘ Also rief ich um zwei Uhr morgens Kyle Lehning an, und Waylon meinte: ‚Nicht zu fassen. Du kannst das wirklich.‘“
Eine Zeitlang rockte das Hillbilly Central. Tompall beschäftigte Hazel Smith als Presseagentin. Sie war es, die den Begriff „Outlaw“ aus Waylons Ladies Love Outlaws kreierte. Nach ihrer Kolumne ‚Hillbilly Central‘ wurde Tompalls Studio benannt. Das ganze Gerede über Outlaws brachte den Produzenten Jerry Bradley auf eine Idee: „Waylon und Tompall vermarkteten sich selbst als ‚Die Outlaws‘ und wurden innerhalb der Musikindustrie mehr oder weniger als Outlaws (Gesetzlose) betrachtet. Auf jeden Fall verkauften sich Waylon, Willie und Jessie Colter gut.“ Waylon wollte Tompall dabeihaben. „Ich dachte, wir würden vielleicht fünf- oder sechshunderttausend Exemplare verkaufen; doch ‚The Outlaws‘ (RCA Records) wurde zum ersten Countryalbum, von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden. Es hatte eine wahnsinnige Bedeutung“, erinnert sich Bradley.
Tompall stieß in letzter Minute hinzu. Ein Einschnitt bleibt jedoch ein Einschnitt, und dieser hier war wirklich gewaltig. ‚The Outlaws‘ schrieb Musikgeschichte. Als Folge dieses Erfolgs verließ Tompall MGM Records und wechselte zu ABC. Später war er sich sicher, dass dies ein Fehler war.
Etwa zwei Jahre später entzweiten sich Tompall und Waylon. Vollkommen unerwartet taten sich die Glaser-Brüder wieder zusammen. Ende 1978 erkrankte ihr Vater, und die drei Brüder fuhren zurück nach Nebraska.
Als der ehemalige Präsident von MGM Records, Jimmy Bowen, nach Nashville gezogen war, gab ihm Tompall ein Büro. 1978 gründete Bowen Nashvilles Abteilung von Elektra Records und nahm die neu formierten Glaser Brothers unter Vertrag. Bevor sie MGM verließen, hatten sie für ein späteres Album Kris Kristoffersons Lovin’ Her Was Easier aufgenommen. Auf Bowens Empfehlung hin nahmen sie das Stück für eine Single neu auf. Das Ergebnis sollte ihr größter Hit werden, die Nummer zwei im Sommer 1981.
Doch selbst Erfolg konnte die Glasers nicht zusammenhalten. Ende 1983 wurde Jim durch Shaun Nielsen, ein früheres Mitglied von Elvis‘ Begleitband, den Imperials, ersetzt. Letztendlich verkaufte Tompall das Studio an Chet Atkins und Ray Stevens. In den letzten Jahren litt Tompall unter Gesundheitsproblemen und erlitt einen Schlaganfall. Outlaws sind eine aussterbende Spezies.
Tompall Glaser gilt als der vergessene Outlaw. Jeder kennt Waylon und Willie. Deren beste Aufnahmen sind schlicht wundersam und unvergänglich. Doch Tompall bleibt die Graue Eminenz dahinter, ein Studio in der Nineteenth Avenue South, Hausnummer 016 bleibt so etwas wie der Ground Zero der Outlaw-Bewegung. Eine ganze Generation orientierte sich an der barschen, selbstironischen Unverfrorenheit seiner Stimme und an der Art und Weise, wie er die Oligarchen Nashvilles umging, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Er und seine Freunde machten ‚Hillbilly‘ zu einem ehrenvollen Begriff, nicht zu einem Schimpfwort. Für einige Jahre sah es wirklich so aus, als hätten sie die Geschäftswelt Nashvilles nachhaltig verändert.
Auszüge aus Louis Glasers Nachruf und Colin Escotts Linernotes.
Tompall Glaser, im Interview von Colin Escott, Juni 2005
Jerry Bradley, nicht gesendetes Interview der BBC, 2002.