Chris Howland alias 'Mr. Pumpernickel' ist tot


Chris Howland Japanisches Abschiedslied  HIER ABSPIELEN
Frank Laufenberg zum Tod von Chris Howland
„Vom Gebirg zum Ozean, alles hört der Radiomann“ erhielt ich 1955 zu Weihnachten. Das war von der Firma Kosmos ein Baukasten, mit dem man sich ein Radio basteln konnte. Na ja, Radio konnte man es nicht nennen – aber man konnte schon ein bisschen von der Welt, der Vielfalt und den Möglichkeiten des Radios hören. Der Klang war unterirdisch, aber auch egal. Ein eigenes Radio!
Irgendwann wurde das Radio meiner Mutter unter Beschlag genommen – und daran konnte man einen Plattenspieler anschließen und seine selbst geklauten Platten spielen. Wunderbare Zeit des Aufbruchs in eine Musikwelt, die schier unendlich erschien. Wenn meine Mutter da war, hörte sie so blöde Sendungen wie ‚Das Wunschkonzert‘, in denen Rudi Schuricke, Caterina Valente, Peter Alexander, Bully Buhlan oder Bruce Low das Singen hatten. Dann saß ich wieder am Radiomann und hörte das Rauschen im Äther. Und da waren dann auch ganz andere ‚Ansager‘ zu hören, die manchmal auch ‚Schallplattenjockey‘ genannt wurden.
Während im Sender NWDR (später nach Trennung NDR und WDR) noch die Sprecher den großdeutschen Verkündungston beherrschten, gab es über den Radiomann auch schon die ersten lockeren Sprüche – aber die kamen weniger von deutschen als von englischen Moderatoren und dem Soldatensender BFN. Und dann tauchte auch für meine Ohren erstmals die Stimme eines Menschen auf, der anscheinend Heinrich Pumpernickel hieß und ein ganz lustiges Deutsch sprach. Das schien ihn aber wenig zu kümmern. Er verhaspelte sich, war mal laut und dann wieder leise, lachte, machte Witze und spielte Platten, die mit Schuricke und Co. nix am Hut hatten. Ich liebte diesen spaßigen Mann, der zeigte, dass Radio gar keine bierernste Sache sein muss, die Spaß machen kann – für Hörer und Macher. Chris Howland, wie er richtig hieß, merkte man deutlich an, dass er das, was er da machte, gerne machte. Meine Mutter sagte mir irgendwann mal: „Man macht nur das gut, was man gerne macht“. Howland war der Beweis – und er und seine Art waren es, die es schafften, meine Berufswünsche wie Lokomotivführer und Pilot zu verscheuchen. Ab sofort wollte ich im Radio sitzen und für Hörer Musik spielen und dazu Geschichten erzählen.
Es sollte noch knapp 15 Jahre dauern bis sich mein Berufswunsch erfüllte – und inzwischen war aus Heinrich Pumpernickel Lord Tuff-Tuff, der Butler Archie, Don Parmesan und was weiß ich noch in etlichen Filmen geworden, hantierte er überaus erfolgreich im Fernsehen z. B. mit einer versteckten Kamera und machte durchaus auch Sachen, die ich dann gar nicht so komisch fand. Aber trotzdem war immer, wenn ich ihn sah oder hörte, dieses Gefühl der Dankbarkeit da, dass er mir den Weg gezeigt hat. Und wenn wir uns später in TV-Sendungen oder bei Interviews trafen, hatte ich immer eine große Hochachtung vor einem Mann, der sich Heinrich Pumpernickel nannte und schon damit bewies, dass er sich nicht zu ernst nahm. Ich danke Dir, Chris. Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte es Dich nicht gegeben!
Gerd Alzen
Oldies Forever!
‚MemoMeister‘ Gerd Alzen (68)
„Chris Howland ist tot…..“
…. Wir haben es damals miterlebt……
…wie der hagere, radebrechende englische Soldat ins Nachkriegsdeutschland kommt… und Mitte der 50er Jahre zum beliebtesten Radio DJ  wird.
Er ist nicht der Prototyp des anglo-amerikanischen DJ –Akrobaten, der mit lässigen, genau ausgetimten Voice Overs seine knackigen Ansagen über die Songintros der neusten Hits wirbelt – NO – Chris Howland kreiert mit ruhiger englischer Nonchalance einen neuen Dampfradio-Plauderton.
Er erzählt seine kleinen Geschichten aus der Familie, von Frau und Kindern. Man hört’s und schmunzelt… lässt ihn erzählen…, aber wartet doch ungeduldig auf den nächsten US oder UK-Hit.
‚Spielereien mit Schallplatten‘ heißt in den 50er Jahren seine wöchentliche Spielwiese auf UKW 2 des Westdeutschen Rundfunks – Mittwochabend um 18.30h – und als Kontrapunkt zu seinen oftmals etwas bieder wirkenden Stories haut er dann plötzlich einen frenetischen Elvis, Little Richard oder die Isley Brothers raus.
Aber: d a s  ist eigentlich nicht seine Welt. Er mag keinen Rock ’n‘ Roll… nein… Chris Howland liebt die Crooner, Big Bands und gepflegte Orchestermusik.
Schon deshalb kürt er eine geigengetränkte Nummer des englischen Orchesterchefs RRRRRobert Farnon (O-Ton Chris) zu seiner lebenslangen musikalischen ID: ‚Melody Fair‘.
Auch  d i e  haben wir damals als rockende Teenager akzeptiert, weil  e r  sie so mochte. Und  w i r  mochten  i h n. Weil er anders war als die anderen vom deutschen Verkündungsrundfunk. Weil er sich verhaspelte, weil er spontan war, weil er so liebenswert englisch war … und sich trotzdem bei uns zuhause fühlte, und zu uns nach Hause kam.
Durch seine verbindliche Art brachte er die ganze Familie mittwochs vor den Lautsprecher, ließ Mutter bei Guy Mitchells Singing The Blues mitsingen und Vater bei Pat Boones I’ll Be Home  mitschmachten. Er machte die uns damals in den 50er Jahren noch fremde Musik ‚heimisch‘ und brachte die Generationen zusammen. Und…. inspirierte einen 10jährigen, konsequent seinen Lebenstraum zu verwirklichen: Radiomoderator zu werden.- Chris wurde zu einem seiner großen Vorbilder.
1969 machte der Junge seine erste Oldie-Show: ‚Memory Hits‘ im Deutschlandfunk.
Im März 2013 – in der Final Show – gab’s seine persönliche ‚Memory Hall of Fame‘ … und late Chris Howland hat darin seinen ewigen Ehrenplatz.
„Chris ‚Mr.Pumpernickel‘ Howland – thank you for many lucky hours together!“
Gunter Gabriel
Chris Howland war mein Wegbereiter! Als 14-jähriger Bengel (1956) wusste ich das nicht. Heute als 70-jähriger Sänger/Songschreiber kann ich das rückblickend mit Bestimmtheit sagen: ich bin bekennender Chris Howland-Fan. Warum? Er lockte mich ans Radio – jeden Mittwochabend – WDR- Intro-Musik ‚Melody Fair‘. Was für eine Musik! Und dann kam er mit Hank Williams, Johnny Ray, Guy Mitchell, Marty Robbins, Lonnie Donegan und natürlich Elvis und … Johnny Cash!
Der Witz war aber: er spielte nicht die Songs einfach runter, sondern erklärte deren Inhalt auf deutsch. Wer am nächsten Morgen in der Schule die Sendung nicht gehört hatte, war nicht in!!!
Wie konnte Paul Anka mit 15 Jahren den Song Diana schreiben??? Ich war fassungslos!
Die Galgenballade Tom Dooley vom Kingston Trio: welch Dramatik, von Marty Robbins El Paso ganz zu schweigen! Noch heute habe ich ein ganzes Notizbuch voll mit Texten dieser Zeit.
Jahre später – ich studierte Maschinenbau in Hannover – und Chris Howland moderierte ‚Musik aus Studio B‘ im Funkhaus am Maschsee, da lernte ich ihn persönlich kennen: als Kabelhilfe bei seiner Sendung!
Seitdem riss die freundschaftliche Beziehung zu ihm nie wieder ab.
Noch vor einigen Monaten, als ich ihn in Rösrath bei Köln in seinem Haus besuchte, nannte er mich seinen ältesten Fan. Vor etwa 10 Jahren schrieb ich für uns ein Duett. In einem kleinen Studio in Köln nahmen wir es auf- Wange an Wange-: Wahre Liebe gibt’s nur unter Männern. Und wenn ich recht überlege; all meine letzten Erfolge mit dem Johnny Cash – Musical sind ursprünglich auf die Einflüsse und Impulse von Chris zurückzuführen. Wenn er nun nicht mehr lebt, so lebt er doch für mich weiter. Dafür bin ich dankbar, glücklich und das ist mein persönlicher Reichtum.
Götz Alsmann
Es gab kein Leben ohne Chris Howland.
Zu jung, um seine ganz große Rundfunkzeit miterlebt haben zu können, war er mir dennoch überall präsent: Kinderfernsehen, Jugendfernsehen, ‚Musik aus Studio B‘, seine selbst gesungenen Evergreens, die nie ganz aus dem Radio verschwanden, seine herrlichen Nebenrollen in Karl May- und Edgar Wallace-Filmen und seine Auftritte in großen Fernsehshows als Sketchpartner, Spaßmacher oder einfach nur Talkgast.
Unverkennbar, unverwechselbar, unschlagbar mit all, seinem „Boing“ und „Heinrich Pumpernickel“.
Titelzeilen seiner Lieder wurden zu geflügelten Worten des Volksmunds: „Die Mutter ist immer dabei“. Da wusste jeder Bescheid – das konnte jeder ansingen. Diese eine Zeile – und nicht nur ein Familiendesaster wurde mit einem Augenzwinkern erläutert, sondern auch ein Stückchen moderner Folklore der Bundesrepublik zitiert.
Ich hatte das große Glück, mit ihm Konzerte zu geben und Fernsehen zu machen.
So war er der erste ‚Zimmer frei‘- Gast aller Zeiten. Noch vor der offiziellen ersten Live-Sendung hatten wir die zweite gesendete Show am Nachmittag aufgezeichnet.
Chris war unser Versuchkaninchen. Er trug diese undankbare Rolle mit Gelassenheit, Freude am Quatsch und mit der Würde eines Unterhaltungs-Giganten.
Er wurde zu unserem Glücksbringer.
Das größte Privileg aber war, seinen freundschaftlichen Umgang zu spüren. Mit ihm zu philosophieren, Witze zu erzählen, Familiengeschichten darzulegen oder über Musik zu plaudern (er war ein wirklicher Kenner der sogenannten „gehobenen Unterhaltungsmusik“ eines Robert Farnon oder Leroy Anderson) – es war immer ein Spaß, eine Freude, ein echter Gewinn.
Er war einer der letzten seiner Art.
Ich werde ihn vermissen.
Richard Weize
Nachdem nun alles gesagt worden ist, und mir die Worte praktisch aus dem Mund genommen wurden, bleibt nur zu sagen, dass auch ich natürlich genauso begeistert von Chris war …und nicht nur das. Ich war animiert und machte mich schlau über die amerikanische Hitparade (ausgedruckt in der Bravo). Bereits Ende der 50er Jahre importierte ich für mich und für Freunde US Platten direkt aus New York. Das waren Zeiten.
Das alles war letztendlich inspiriert durch Chris ‚Mr. Pumpernickel‘ Howland.
Ohne ihn gäbe es heute sicherlich Bear Family Records nicht.
Von seinen Schallplattenaufnahmen habe ich das Japanische Abschiedslied, – gesungen von Kay Cee Jones mit Chris Howlands Rezitation – sein Fraulein und Blonder Stern geliebt.

***

Mit seinem charmanten britischen Akzent wurde Chris Howland alias ‚Mr. Pumpernickel‘ in den Fünfziger- und Sechzigerjahren zu einem der populärsten Rundfunk- und Fernsehmoderatoren Deutschlands. Der Entertainer und Schauspieler ist tot. Er starb in der Nacht zum 30. November in seinem Haus in der Nähe von Köln.
Im Alter von zwanzig Jahren kam Howland zum British Forces Network, dem Rundfunk der Britischen Armee (BFN, heute: BFBS). 1952 bewarb er sich erfolgreich beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Hamburg. Die Verantwortlichen dort erhofften sich von dem englischen ‘Disc Jockey’ und seiner am 1. September 1952 gestarteten Sendung ‘Rhythmus der Welt’, die an beliebte Sender der Besatzungsmächte, vor allen an AFN und BFN, verlorenen jugendlichen Hörer zurückzugewinnen. Es folgte die Sendung ‘Spielereien mit Schallplatten’. Seine Markenzeichen waren der Spitzname ‘Heinrich Pumpernickel’ oder auch ‘Mr. Pumpernickel’, den er sich selbst gab, sein lässiger britischer Akzent und seine knarrende Stimme.
Fraulein 1954 zog er mit dem BFN nach Köln, wo er zukünftig auch für den NWDR Köln, aus dem später der WDR hervorging, arbeitete. Nach ein paar Jahren zurück in Großbritannien kam Howland 1961 wieder nach Köln und moderierte 61 mal  ‘Musik aus Studio B’ zunächst für den Hörfunk, später auch fürs Fernsehen.
Zwischen 1954 und 2007 wirkte Chris Howland in über 30 Filmproduktionen mit, darunter etlichen Karl May- und Edgar Wallace-Verfilmungen. 1957 begann seine etwa zwanzigjährige Karriere als Schlagersänger. ‘Das hab’ ich in Paris gelernt’ aus dem Jahre 1959 zählt zu seinen populärsten Erfolgen.
Chris Howland gebührt das Verdienst, durch seine moderne Art der Moderation von Musiksendungen maßgeblich eine neue Jugendkultur im Nachkriegsdeutschland gefördert und unterstützt zu haben. Ihm verdanken wir die Popularität „gehobener Unterhaltungsmusik“ in unserem Land. Als Disc Jockey war der junge Chris Howland Maß aller Dinge!
Mit Chris Howland hat die deutsche Unterhaltungslandschaft eine ihrer großen Legenden verloren. Wir alle werden ihn schmerzlich vermissen.

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